
Fassadenbegrünung – das sind Vor- und Nachteile
An einem Montagvormittag Ende Juni kam ich von einem Termin und lief durch die schon ziemlich heiße Stuttgarter Innenstadt. Dann stand ich vor der Calwer Passage mit ihrer Fassadenbegrünung. Die Luft wurde klarer und neben dem Gebäude war es spürbar kühler. Was für eine Wohltat! Staunend blickte ich nach oben und beobachtete zwei Männer bei der Pflege der Pflanzen, die dschungelgleich vor der Fassade herunterhingen. Dieses Bild hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Nachhaltigkeit spielt in der Architektur und am Bau eine immer größer werdende Rolle. In meiner Arbeit als Architekt stelle ich mir immer wieder die Frage: Wie kann ich Gebäude gestalten, die Lebensqualität nicht nur für die künftigen Bewohner schaffen? In diesem Blogbeitrag möchte ich zeigen, wie eine Fassadenbegrünung dies unterstützen kann.
Begrünung als gestalterisches Element
Wir haben auf diesem Blog bereits über das Thema Dachbegrünung sowie grün/blaue Retentionsdächer geschrieben.
Anders als diese extensiven oder intensiv begrünten Dächer handelt es sich bei einer Fassadenbegrünung jedoch um einen vertikalen Garten, der sich regelmäßig verändert – mit den Jahreszeiten, mit der Witterung, mit dem Wachstum der Pflanzen.
Eine Fassadenbegrünung gibt es in verschiedenen Ausführungen:
- Direkte Begrünung: Dabei werden Kletterpflanzen vor der Fassade in Töpfe oder direkt ins Erdreich gepflanzt
- Indirekte Begrünung: Die rankenden Pflanzen werden direkt an der Fassade in Töpfe oder direkt ins Erdreich gepflanzt und wachsen an Rankhilfen die Fassade hinauf
- Modul- oder Systembegrünungen: Die Pflanzen werden in sogenannte Pflanzenpaneele gesetzt, die dann mithilfe einer Unterkonstruktion direkt an der Fassade befestigt werden. In die Unterkonstruktion sind z. B. ein Drainageflies sowie Wasserschläuche, die idealerweise mit einem Regenwasserspeicher verbunden sind, oder auch Sensoren integriert.
Ob direkte Begrünung mit Kletterpflanzen, indirekte Systeme mit Rankhilfen oder modulare Pflanzwände – die Varianten sind vielfältig und lassen sich an das Bauprojekt und die Wünsche der Bauherren anpassen.
Fachliche Beratung und Ausführung
Bei der Planung und Umsetzung einer Fassadenbegrünung empfehle ich die Zusammenarbeit mit spezialisierten Landschaftsarchitekten oder Gartenbaubetrieben.
Was sagt das Baurecht zu einer Fassadenbegrünung?
Eine Fassadenbegrünung ist nicht grundsätzlich genehmigungspflichtig, kann unter bestimmten Umständen jedoch eine Baugenehmigung erfordern. Es empfiehlt sich, vorab das zuständige Bauamt oder bei einem denkmalgeschützten Gebäude die Denkmalbehörde zu kontaktieren.
Gestaltungsrichtlinien
In manchen Gemeinden gelten sogenannte Gestaltungshandbücher, die auch auf die Begrünung einer Fassade eingehen oder diese, wie in einem neuen Gewerbegebiet, dem Lune Delta in Bremerhaven, zur Bedingung machen.
Vorteile einer Fassadenbegrünung
In Zeiten zunehmender Hitzewellen und städtischer Verdichtung ist jede Maßnahme willkommen, die eine Aufheizung der Umgebung reduziert. Begrünte Fassaden leisten hier einen wichtigen Beitrag:
- Sie senken die Oberflächentemperaturen,
- wirken als natürliche Klimaanlage,
- dämpfen den Schall und
- erhöhen die Luftfeuchtigkeit.
Zudem binden sie Feinstaub und CO₂, was sich spürbar auf die Luftqualität auswirkt. Ein weiterer Vorteil ist der Schutz der Fassade vor UV-Strahlung.
Mehr zum Thema Hitzeschutz im Neubau lesen Sie auch im Blogbeitrag Wärmeschutz im Neubau: so sorgt man für angenehme Innenraumtemperaturen im Hochsommer.
Biodiversität
Eine eingewachsene Fassadenbegrünung sorgt für mehr Biodiversität, da sie nützliche Insekten und Vögel anzieht.
Was sind die Nachteile einer begrünten Fassade?
Wartungsaufwand
Doch wie man am Foto der begrünten Bushaltestelle sehen kann, müssen die Pflanzen regelmäßig bewässert, bei Bedarf gedüngt und – wenn nötig – zurückgeschnitten werden. Unabhängig davon, ob es sich um eine direkte, eine indirekte oder eine Modulbegrünung handelt. Bei jeder Form der Begrünung kann es vorkommen, dass Pflanzen absterben und ausgetauscht werden müssen.
Bei einer direkten Begrünung ist zu beachten, dass Kletterpflanzen wie Efeu und wilder Wein den Putz oder Fassadenpaneele beschädigen können, da sie sich an diesem festsetzen.

Je nach Bewuchs kann es auch dazu kommen, dass weniger Tageslicht in die Innenräume fällt.
Kosten
Am günstigsten ist eine direkte Begrünung der Fassade, gefolgt von der indirekten Begrünung. Verwendet man Module für die Begrünung, ist dies teurer, da hierfür die Unterkonstruktion inklusive einer Bewässerung fachgerecht geplant werden muss. Dadurch wird sichergestellt, dass die Statik des Gebäudes eine Systembegrünung zulässt. Außerdem wird die Wasserführung für das Bewässerungssystem geplant, der Brandschutz berücksichtigt sowie das passende Begrünungssystems gewählt.
Entscheidet man sich für eine Systembegrünung, benötigt man für die Installation, die Bepflanzung oder bei einem Pflanzenaustausch unter Umständen ein Gerüst oder eine Hebebühne, wofür weitere Kosten anfallen.
Förderprogramme
Allerdings lohnt es sich auch immer zu prüfen, ob es wie in Stuttgart eine Förderung für eine Fassadenbegrünung gibt und was die Voraussetzungen für deren Erhalt sind.
Praxisbeispiele Fassadenbegrünung
Neben der bereits erwähnten Calwer Passage in Stuttgart ist auch der ehemalige Hochbunker in Hamburg St. Pauli ein Beispiel, wie auf einem Bunker ein Park entstehen kann. Ich empfehle die Sendung der Reihe Nordstory zur Umgestaltung des Flakbunkers.
Betrachtet man die Vorher/Nachher Bilder des Hochbunkers, sieht man einen deutlichen Unterschied. Der Hochbunker wirkt deutlich ansprechender und weniger abweisend.
Ein internationales Projekt mit viel echtem Grün ist das Müllkraftwerk Copenhill in Kopenhagen. Wenn Sie sich für das von der Bjarke Ingels Group realisierte Projekt interessieren, empfehle ich diesen Artikel der SZ.
Übrigens: Der Begründer der Bjarke Ingels Group (BIG), der Architekt Bjarke Ingels, war schon Hauptprotagonist in einer Folge der Netflix Serie Abstrakt: Design als Kunst.
Fassadenbegrünung in der Mediathek
Welche nachweisbaren Vorteile eine Fassadenbegrünung hat, wie Pflanzmodule an der Fassade angebracht werden und wie die Pflanzen in der Gärtnerei herangezogen und gepflanzt werden, sehen Sie in diesem Video aus der Sendung Die Maus – definitiv ein Beitrag für Erwachsene.
Fazit
Begrünte Fassaden, Dächer, aber auch Parks kühlen nachweislich ihre Umgebung und speichern Regenwasser. Gebäude können auch im Kleinen, z. B. durch eine begrünte Fassade – aber nicht nur – einen Beitrag dazu leisten, dass man sich auch im Sommer gerne in Städten aufhält.
Die positiven Aspekte einer erhöhten Lebensqualität im urbanen Umfeld gleichen die Kosten für die Begrünung und die nachfolgende Pflege aus.
